Ein Geist, ein Leben, EinSein!
- Johann Nepomuk Maier

- 1. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Ich führe viele Gespräche mit Menschen, die sich mitten im „Erwachungsprozess“ befinden – ebenso mit jenen, die sich in kein Konzept, keine Vision und keine Gruppe einordnen lassen wollen. Auch mit Forschenden tausche ich mich aus, die auf ihrem wissenschaftlichen Weg eine völlig neue Perspektive kennenlernen durften und erkannten, dass vieles ganz anders ist, als sie es je für möglich gehalten hätten.

Wenn ich Menschen mit ihren Geschichten und Erkenntnissen interviewe, fällt es mir oft schwer, nicht zu werten. Auch ich habe meine Konzepte, und meine geistigen Programme greifen darauf manchmal unbemerkt im gegenwärtigen Moment zurück. Unser System bewertet permanent – ob Gefahr droht, ob eine Situation angenehm, aufregend, anstrengend oder überwältigend ist. Erst im Nachhinein wird oft sichtbar, dass sich Dinge ganz anders deuten und analysieren lassen. Gespräche können im Augenblick befreiend wirken, doch die tieferen Spuren eines nicht dienlichen Erlebnisses bleiben im System bestehen.
Bewusstsein und Spiritualität sind heute vielfach zu Modebegriffen des Zeitgeistes geworden. Die philosophische Betrachtung des Lebens hat sich dem materialistischen Weltbild angepasst und damit oft den Pfad echter Erkenntnis verlassen. Weise Kulturen, die einst spirituelle Tiefe lebten, sind längst in den Strudel des Turbokapitalismus geraten, der alle kulturellen, moralischen und gesellschaftlichen Werte dem Denken des Wirtschaftsspiels à la Monopoly unterordnet. Demokratien verwandeln sich in Machtstrukturen des Geldes.
Thomas Metzinger schreibt in seinem Buch Bewusstseinskultur, dass wir zwar eine hochentwickelte Zivilisation sind, aber dennoch jeder Einzelne das Trauma dieser Zivilisation überwinden kann – indem er einfach das Richtige tut. Nicht aus Kalkül, sondern weil es das Richtige ist. Doch was ist dieses „Richtige“? Aus welcher Perspektive betrachten wir es – der irdischen, der kosmischen, der göttlichen oder einer noch unbekannten, künftigen Intelligenz?
Die Forschung ist heute so zerrissen wie nie zuvor. Und während im Mainstream der Eindruck entsteht, wir seien auf einem guten Weg, bestimmen in Wahrheit Gelder und Karrieren, welche Forschung gefördert wird. Wachstum und Macht sind zum Maßstab der Moral geworden. Kriege, Leid und Vernichtung gelten als „notwendige Opfer“ auf dem Weg in die Moderne. Hochzivilisationen der Vergangenheit erscheinen dabei kaum mehr als Gesprächsstoff, obwohl ihre Erfahrungen überlebensnotwendige Hinweise für uns enthalten.
Viele Menschen ziehen sich inzwischen zurück, öffnen ihre eigenen Blasen von Wahrheit und verweigern die öffentliche Kommunikation. Ist das Realitätsflucht – oder vielleicht das Recht, nicht länger mit den bekannten Mitteln ein krankes System verbessern zu wollen? Acht Milliarden Wahrheiten, acht Milliarden Realitäten – und dennoch scheinbar nur eine Welt.
Der Philosoph Markus Gabriel argumentiert in seinem Buch Warum es die Welt nicht gibt, dass „die Welt“ als Gesamtheit aller Dinge nicht existiert. Es gibt viele Dinge – Menschen, Sterne, Gedanken, Tische – doch keine einheitliche Welt, die sie alle zusammenhält. Für ihn ist die Vorstellung einer einzigen, alles umfassenden „Welt“ ein Denkfehler.
Vielfalt statt Einheit: Es gibt viele Sinnfelder – Kunst, Natur, Mathematik, Gefühle –, die sich nicht zu einer einzigen Welt reduzieren lassen.
Realität ist vielgestaltig: Alles, was in einem Sinnzusammenhang Bedeutung hat, existiert wirklich – auch Gedanken, Einhörner oder moralische Werte.
Kritik am Naturalismus: Naturwissenschaftlich Messbares ist nicht die ganze Wirklichkeit.
Selbstwiderspruch: Würde „die Welt“ existieren, müsste sie auch sich selbst umfassen – ein logischer Widerspruch.
Unsere Medien greifen solche Gedanken meist nur auf, um sie als lächerliche Fantastereien abzutun. Erkenntnisse, die sich nicht ökonomisch verwerten lassen, gelten als irrelevant. Der Zeitgeist war immer schon ein Schleier, der die tieferen Wahrheiten verdeckt. Nie war das propagierte Weltbild die wirkliche Erkenntnis über Kosmos und Mensch. Die technische Evolution schreitet stets schneller voran, doch die Revolution des Geistes bleibt dahinter zurück.
Ob die alten Texte der Veden vor rund 3000 Jahren oder die Aussagen Meister Eckharts im 13. Jahrhundert – ihre Worte wirken heute wahrer denn je:
Gott ist nicht fern oder nur in Dogmen zu finden, sondern im Inneren jedes Menschen.
Um Gott zu erkennen, muss der Mensch sich entleeren – von Ego, Wünschen, Bildern, Vorstellungen.
Nur in völliger Gelassenheit („Lassen, was nicht Gott ist“) kann die Gottesgeburt in der Seele geschehen.
Das ganze Universum ist durchdrungen von einer göttlichen Ordnung (Rta), und der Mensch kann durch rituelles Handeln, Erkenntnis und innere Einkehr mit dem Göttlichen (Brahman) eins werden.
Doch was ist nun mit dem Leben – hat es einen Sinn oder nicht?Der von Darryl Anka gechannelte „Bashar“ ist der Ansicht: Nein. Wir geben jedem Moment Sinn und Bedeutung. Bedeutung entsteht aus unserem Handeln im Jetzt.
Das einzelne Sein, dein, mein Leben ist offensichtlich nur ein Aspekt – ein winziger, aber dennoch nicht unbedeutender Auszug aus der Gesamtheit des Seins.
Also: Lebe dein Leben ohne festgeschriebenen Sinn – und du wirst Großartiges erleben und erfahren. Wie du das bewertest, liegt ganz allein bei dir.
Sei mutig – und dir wird gegeben. Sei ängstlich – und dir wird genommen.
Johann Nepomuk MaierAutor,
Moderator und Filmemacher

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